Montag, 29. September 2008

Auf der großen Insel- Ihla Grande

Die Luft in Ribeirao wird dünner und dünner. Wir befinden uns in einem Kessel, der sich immer weiter aufheizt und indem es kaum noch Luft zu atmen gibt-Luft gibt es schon noch aber die ist stickig, dreckig und vor allem trocken. Wir schreiben 11% Luftfeuchtigkeit.

Es reicht: Wir müssen hier raus!- Aber wohin? Ans Meer!
Nach so vielen kleinen oder größeren Ausflügen an etliche Kletterfelsen, einer Tour durch Minas Gerais und weiteren Exkursionen im Landesinneren ist nun der Tag gekommen, andem Simone auch endlich das Meer sehen wird.
Unser Ziel heisst Ihla Grande. Sie liegt im Bundesstaat Rio de Janeiro und ist zu einem großen Teil Naturschutzgebiet oder zumindest geschützte Zone. Außerdem gibt es sehr viel Mata Atlantica dort- zwar kein Primärwald mehr aber immerhin sieht es so aus als wäre es ursprünglicher Wald. Natürliuch auch ein Paradies für Birder... also wir sind hier genau richtig.

Montag 22 Uhr-Busbahnhof Ribereirao Preto
Der 3 Uhr Bus, den wir eingentlich nehmen wollten, ist voll. Also nehmen wir den um meia noite (Mitteracht). Es bleiben uns noch knappe 2 Stunden- eigentlich nur noch anderthalb. Packen, Duschen, Essen und los gehts!

Dienstag 5 Uhr- Busbahnhof Sao Paulo
Warten bei Kaffee und Pao de Queijo im ungemütlich kalten und zugigen Busbahnhof von Sao Paulo. Als wir die Tickets für die Weiterfahrt kaufen wollen, ist der Bus ebenfalls voll. Also fahren wir kurz entschlossen auf einem anderen Weg an die Küste. Trotzdem verbringen wir vier "gemütliche" Stunden am Busbahnhof- Ich wusste nicht, dass Sudoku so viel Spass machen kann...

Dienstag 17 Uhr- Angra dos Reis
Endlich- nach einer kurvigen Fahrt durch das hohe Küstengebirge Brasiliens, erst durch abgeholzte und beweidete Hochebenen und dann steil abfallend durch feuchten Mata Atlantica hinunter an die Küste. Leider haben wir wie schon die gesamte Fahrt über "kein Glück", denn das letzte Boot ist gerade um fünf Uhr abgefahren. Aber eigentlich war dies erst unser Glück, denn so lernten wir am Hafen einen Bootsbesitzer kennen, der uns am nächsten Tag mit seiner kleinen "Porto Rico" mit auf die Insel nahm. Und zwar nicht in die Hauptstadt Abraão, sodern nach Provetá, einem kleinen Dorf auf der Südeseite der Insel.

Die Porto Rico

Der Hafen von Angra dos Reis

Die nächste Woche verbringen wir zwischen einsamen Stränden und dichter Mata Atlantica, neben tobender See und rutschigen Felsen... Unter traumhaften Sonnenuntergängen und prasselndem Regen. Wir laufen die gesamte Südseite der Insel ab und geniessen die Ruhe und Einsamkeit, denn die meisten Touristen bleiben in Abraão und machen höchstens Ausflüge mit dem Boot zum Schnorcheln oder Tauchen.

Ihla Grande-
wir sind die gesamte Südseite von West nach Ost entlanggelaufen


Die erste Nacht verbringen wir am Strand von Aventureiro. Wildcampen ist auf der gesamten Insel verboten. Zu dieser Jahreszeit, wenn kaum Touristen unterwegs sind, trifft man kaum auf andere Leute... das heisst Ruhe und Entspannung pur. Die ganze Insel, Strände, Wälder nur für uns. Morgens aufzuwachen und nur das Meer zu sehen, den Sonnenaufgang, das Rauschen der Wellen hören und zu wissen, dass man so gut wie alleine ist, den ganzen Tag wandern kann und im Einklang mit der Natur leben kann...

Der Strand von Aventureiro...

"Stadt der Urubus"

Den gesamten nächsten Tag verbringen wir am Praia do Sul und am Praia do Leste. Hier, wo zwei Lagunen ins Meer münden gibt es weite Mangrovenfelder und auch einige Wattvögel, die scheinbar irgendwie hier hängen geblieben sind. Den einzigen Menschen, den wir den treffen ist ein junger Angler, der in die andere Richtung läuft wie wir und zwei Taucher ganz am anderen Ende des Strandes.

Traumhaft- Mittagspause an der Lagune des Praia do Leste

Ein verirrter Regenpfeifer am Praia do Leste

Gegen Abend erreichen wir Parnaioca- wir haben uns etwas mit unseren Trinkwasservorräten verschätzt und freuen uns riesig über den kleinen Bach mit frischem Wasser, der in Parnaioca ins Meer mündet. Der Strand in Parnaioca soll einer der schönsten der ganzen Welt sein: Er ist wirklich perfekt. Nicht zu groß, auf einer Seite große vom Meer ausgewaschene Felsen, der Rest feiner Sandstrand. Ein Süßwassersee, der ins Meer mündet und in dem man sich waschen kann. Eine kleine ebene Fläche, bevor es wieder in den Mata Atlantica und in die Berge hinauf geht. Wir bleiben drei Tage dort... bis das Wetter etwas umschlägt und es wolkiger und ungemütlicher wird.

Unser Ruhestätte für drei Nächte-Parnaioca

Der einzige feste Bewohner der Bucht Parnaioca- uma figura

Unser Weg führt uns nun einen ganzen Tag durch den Wald. Immer in Hörweite des Meeres aber doch stehts im dichten Wald des Mata Atlantica. Dafür werden wir heute nicht nur viele Vögel sondern auch Brüllaffen und sogar ein Gürteltier sehen. Der Wald ist unglaublich belebt: Alles ist feucht, grün und überall wächst etwas anderes spannendes. Man kann gar nicht genug bekommen, sich die verschiedenst artigen Orchideen, Bromelien und andere bunte Pflanzen und Blüten anzuschauen. Außerdem gibt es riesige Bäume, die wiederum eigene Ökosysteme für tausend andere Pflanzen und Tiere bieten. Riesiger Bambus, Lianen, Moose, Flechten... und alles lebt: Ameisenstraßen überall, andere kleine Insekten rascheln durch die Blätter, im Unterholz knarzt es... Nur sehen kann man meistens nichts. Der Wald ist einfach zu dicht etwas zu erkennen. Auch die Vögel sind meistens besser zu hören als zu sehen. Trotzdem ist es ein herrliches Durcheinander, indem man sich wahnsinnig lebendig fühlt!

Einer der vielen "bunten Vögel" der Insel

"Blume"

Nach Parnaioca wird es immer regenerischer. Wir erreichen spät abends schon in der Dunkelheit Dois Rios und suchen unter einem amgedreht am Ufer liegenden Boot Schutz vorm Regen.
Auch der nächste Tag verspricht keine wirkliche Besserung. Trotzdem lassen wir uns nicht entmutigen und wollen die letzte Strecke der halben Inselumrundung noch zu Ende bringen.

Das Gefängnis von Dois Rios-
hier hausten die Gefangenen der Diktatur unter ihnen auch Elias Maluco


Dieses Vorhaben endet gegen fünf Uhr mitten im Wald. Der Regen hat nicht aufgehört und es wird langsam dunkel. Wir sind zwar schon völlig durchnässt aber nun wird der Regen immer stärker. Außerdem befinden wir und auf einem nicht mehr sehr gut markierten Weg und wollen das Risiko im dichten Mata Atlantica verloren zu gehen nicht eingehen.
Die Nacht wird lang, hart und nass. Wir kauern uns unter einen Stein um dem Regen und dem Wind nicht voll ausgesetzt zu sein. Erst scheint das Vorhaben gut zu funktionieren und wir kuscheln uns in die warmen Schlafsäcke. Aber nicht genug dass es nun stärker regnet, nun fängt es auch noch an zu Gewittern... Dunkelheit, Regen, Gewitter... Naja, immerhin sind wir noch trocken. Der Schein trügt aber auch, denn als der Regen durch das Gewitter noch stärker wird, fängt es langsam aber sich an von unserem scheinbar Schutz bietenden Stein hinunter zu tropfen. Erst ganz wenig und weit von uns entfernt. Dann immer näher und bald schon tropft es auf Isomatte und dann auf Kopf und Schlafsack. Den Rest der Nacht verbringen wir immer enger aneinander und den Stein gepresst um nicht allzu nass zu werden.

Ich wäre am liebesten schon mit dem ersten Lichtschimmer der Dämmerung losgelaufen, doch Elias will aus Müdigkeit oder aus Vernunft noch warten bis es richtig hell ist und wir den Pfand wieder gut erkennen können. Nun gut, die paar Stunden kann ich nun auch noch warten.

Wieder hinein in die nassen Klamotten und weiter gehts Richtung Lopes Mendes- ein riesiger Strand ganz im Osten der Insel. Wir erreichen den Strand noch vor acht Uhr und hoffen dort einen Unterschlupf zu finden um etwas zu trocknen und einen heißen Tee zu kochen und zu frühstücken. Unter dem Stein haben wir uns nicht mehr aufraffen können etwas zu kochen und so gab es nur eine Packung (Batman-)Kekse, die uns wieder neuen Mut und Kraft gaben. Der Strand war jedoch völlig verlassen und der Regen prasselte unermüdlich auf uns hinunter. Wir liefen etwas den Strand hinauf und hinunter, konnten jedoch nichts finden, dass uns etwas vorm Regen hätte schützen können.


Auch im Regen kann man Vögel gucken!

Vogel mit Nest

Also liefen wir weiter nach Pouso- auf der Nordseite der Insel. Was für eine Erleichterung. Die letzten beiden Tage liefen wir mit strakem Wind und Regen auf der Meer zugewandten Seite der Insel und waren allem Wetter ungeschützt ausgesetz. Das Meer war rauch und die Welle brachen tosend an der massiven felsigen Steilküste. Nun auf der dem Festland zugewandten Nordseite der Insel war es plötzlich fast windstill, das Meer war fast spiegelglatt und der Regen schien auch etwas abgenommen zu haben. Diese beiden Wetterextreme auf einem Kilometer Entfernung-Wahnsinn.
Wir geniessen die Windstille und die Ruhe des Meeres. Da entdecken wir ein Floss, auf dem Menschen zu sein scheinen. Bei näherer Betrachtung erkennen wir, das es ein Restaurant ist. Wir rufen hinüber ob sie Kaffee haben... Wenig später sitzen wir geschützt unter einem Dach und trinken heißen Kaffee, essen Cracker und Käse- was ein Luxus!
In Anbetracht der Wetterlage beschliessen wir mit der Besatzung des "Restaurante Flutuante" (des schwimmenden Restaurants) per Boot nach Abraão zu fahren. Eine herrlich trockene und angenehme Art der Fortbewegung nach Tagen des Regens und der Anstrengung.

In Abraão treffen wir eine andere Deutsche, Maja, die auf Ihla Grande ein Praktikum macht. Wir bleiben noch drei Tage dort und versuchen unsere Sachen zu trocknen, uns etwas auszuruhen und die Umgebung etwas zu erkunden. Die Sache mit dem Trocknen bleibt jedoch weitgehend ohne Erfolg. Nach Monaten der Trockenheit und Hitze, Lärm und Schmutz in Ribeirao Preto erleben wir auf Ihla Grande ein anderes Extrem des Klimas: Nässe, Luftfeuchtigkeit an die 100% und man kann auch frieren in Brasilien! Fazit: Unsere Sachen hängen drei Tage auf der Leine und sind danach eher noch nässer als zuvor. Erst in Ribeirao trocknet alles wieder- und das innerhalb weniger Stunden: Verrücktes Brasilien!

Vergebliches "KlamottenTrocknen" in Abraão